Zimbabwe

02.01.2015  - 23.01.2015

Viel Wasser


Wir stehen mitten im Gedränge vieler schaulustiger Touristen. Normalerweise finde ich es ja weiss Gott nichts Besonderes, wenn Wasser über irgendwelche Felsengesteine runterfliesst. Jedoch hier beim unbestrittenen Highlight von Zimbabwe – den Victoria Falls – ist dies ein echt atemberaubendes Naturschauspiel. Fasziniert und immer wieder neu beobachten wir gebannt diese ungeheuren, tosend niederstürzenden Wassermassen, und am Schluss verbringen wir fast zwei ganze kurzweilige Stunden bei diesem immer wieder sich ändernden und doch stets gleichbleibenden, mächtigen und pausenlosen Spektakel. 

 

Wer sucht, der findet – manchmal 

 

Wenig später machen wir uns wie gewohnt auf die Suche nach einem preiswerten Übernachtungsplatz, was sich aber hier schon bald als keineswegs einfaches Unterfangen erweist, denn die beiden einzigen Campingplätze in der Gegend verlangen nicht weniger als happige 50 US-Dollar pro Nacht, was wir nun definitiv zu bezahlen nicht bereit sind. Nach längerem Suchen finden wir dann – schon etwas ausserhalb der Stadt – zwar noch einen weiteren Campingplatz, der aber still daliegt und verlassen zu sein scheint. Etwas ratlos recken wir unsere Köpfe, schauen uns um und wissen dabei doch gar nicht so recht, wonach wir eigentlich Ausschau halten sollen. Nach einer Weile tut sich etwas und wir entdecken einen jungen Mann, der ein kleines Kind auf seinem Arm trägt und jetzt langsam uns entgegenschlendert. Bei uns angekommen fragt er, was wir denn suchen würden. Wir schildern ihm unsere Lage und unser Anliegen. Er zögert zuerst kurz und sagt, sein Platz sei eigentlich in Renovation, meint dann aber, wenn wir weder Dusche noch Toilette benötigen würden, dürften wir über Nacht bleiben – und ohne Entgelt, fügt er noch halb verständnisvoll, halb mitleidig bei.


Hyänen Spuren im Sand neben unserem Fahrzeug
Hyänen Spuren im Sand neben unserem Fahrzeug

Nächtlicher Dieb

 

Eines Nachts, irgendwo in der unendlichen Weite Afrikas, klopft es plötzlich, rüttelt, hämmert und knallt es. Erschrocken schnelle ich aus tiefem Schlaf hoch. Roy zuckt ebenfalls zusammen. „Schatz, was ist das?“, frage ich leise flüsternd. Vorsichtig spähe ich durch das Moskitonetz nach draussen. „Hallo! Ist da jemand?“, ruft Roy beherzt. Da erkenne ich im Mondlicht schemenhaft etwas weghuschen. Eine Hyäne? Gar ein Löwe? Eine ganze Weile noch lauschen wir in die unheimlich stille Nacht hinaus. Was war da wohl an unserem Fahrzeug? Mit mulmigem Gefühl im Magen fallen wir mit der Zeit wieder in den Schlaf. 

Kaum erscheint frühmorgens mit ihren ersten Strahlen die Sonne am Horizont, sind wir hellwach, gehen vorsichtig hinaus an die morgendlich frische Luft, suchen neugierig nach Spuren – und werden prompt fündig. Riesenpfotenabdrücke sehen wir sofort im Sand, und bald fragt Roy ganz aufgeregt: „Du Schatzi, hast du vielleicht unseren Teppich gesehen, den wir gestern noch gewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatten?“ 

Unser Teppich bleibt weitherum unauffindbar. Ein Ranger, der etwas später bei uns vorbeischaut, erkennt als erfahrener Fährtenleser sofort, dass bei uns letzte Nacht tatsächlich eine Hyäne zu Besuch war. Im weiteren Gespräch erklärt er uns auch, dass Hyänen eine Art Vorliebe für Gummiartikel wie etwa Schuhe oder Reifen zeigen würden, weil es immer wieder vorkomme, dass sie genau solche Dinge zerstören würden. Zuerst lachen wir uns die Bäuche voll; dann soll es sich die Hyäne doch gemütlich machen mit unserem Teppich! Bald aber vergeht uns das Lachen gründlich, denn wir entdecken, dass auch einer unserer Pneus angeknabbert wurde. Oje, das kann ja vielleicht noch heiter werden – ganz bestimmt aber wird’s ein teurer „Spass“! 


Polizisten und Hyänen in Zimbabwe

 

Schon auf halbem Weg nach Harare werden wir von der Verkehrspolizei gestoppt. Der magere, junge Herr steht aufrecht und mit erhobener Hand vor Gandi. Ein Durchkommen ist unmöglich. Beherzt kurble ich das Fenster hinunter, schalte die Musik auf stumm und lausche dem Polizisten entgegen.

"You have a puncture, can I see your driver license?", knurrt er.

Zurückhaltend streckt Roy ihm seinen Ausweis entgegen.

"Sie können nicht weiterfahren und müssen eine Busse von zehn US Dollar bezahlen", meint der Polizist mürrisch. 

Roy bleibt ganz cool, während meine Stimmung in den Keller sinkt. Ich könnte dem Beamten an die Gurgel springen und laut fauchen. Es ist bereits das sechste Mal in Zimbabwe, dass wir wegen irgendwelchen hahnebüchenen Ideen eines Polizisten eine Busse von zehn US Dollar bezahlen sollen: Fehlende, reflektorische Kleber, fehlende Anzeige des Gesamtgewichtes des Fahrzeuges, Missachten eines Stoppschildes, das gar nicht existiert - und nun sollen wir eine Busse bezahlen, weil wir einen Platten haben? Das ist doch ein schlechter Witz!

Ich bin wirklich genervt, aber Roy kann durch seine Ruhe und Überlegenheit einmal mehr beweisen, dass es bei uns nichts abzuzocken gibt. Wir dürfen weiterfahren.

Auf der Suche nach einer Reifenreparaturwerkstatt in Bulawayo stellt sich heraus, dass dies gar nicht so einfach ist. Als uns bereits die vierte Werkstatt an eine andere Werkstatt weiter verweist, haben wir bereits vergessen, dass unsere Mägen knurren. Doch Geduld zu haben zahlt sich einmal mehr aus - wir werden fündig. Nach gut drei Stunden ist der Hyänenbiss am Reifen kaum mehr zu erkennen. Für nur fünf Dollar haben die Fachkräfte gute Arbeit geleistet. Und auch Kevin hat seinen Beitrag geleistet: Er hat mitgeholfen, die Schrauben anzuziehen.

Streicheleinheiten

 

Irgendwo in der weiten Savanne Zimbabwe's stehe ich wie angewurzelt bockstill – mein Atem stockt, die Hände schweissnass, meine Augen weit aufgerissen. Zwei junge Löwenweibchen trotten direkt auf mich zu! Mein Herz rast, ich umklammere meinen Holzstock fester. Dann geschieht das Unfassbare: Die beiden Grosskatzen trollen sich, mit Blick geradeaus, unbekümmert, wie wenn nichts wäre, gleichgültig an mir vorbei. Aber gleich dahinter folgt, etwas träge, noch eine weitere kräftige Löwin. Bewegungslos, ja wie paralysiert und ohne zu atmen, verfolge ich mit meinen Augen, wie dieses beeindruckende, leicht müde wirkende Tier immer näher auf mich zukommt – und sich schliesslich direkt vor meinen Füssen gemächlich niederlegt! Dann dreht die Löwin auch noch langsam ihren Kopf und blickt mich ruhig, ja fast erwartungsvoll, an! Ob man es nun glaubt oder nicht: In diesem Moment nehme ich all meinen Mut zusammen, kauere mich langsam nieder, lege vorsichtig meine Hand auf ihren Rücken und beginne sie einfach zu kraulen! Mit sehr gemischten Gefühlen zwar, aber doch irgendwie mit grosser Freude geniesse ich eine ganze Weile lang diese unglaubliche und einmalige Begegnung mit der Königin der Tiere – und überstehe schliesslich auch den Rest des Tages unbeschadet. 


Tja, wie ist das möglich? – Nein nein, ich befinde mich nicht in einem Zoo, sondern tatsächlich in der freien Natur, und die beschriebenen Löwen sind wirklich freilebende Wildtiere, die weder dressiert noch sediert, sondern vielmehr im Vollbesitze ihrer geistigen und vor allem physischen Kräfte sind. Ich übrigens auch. Die Lösung des Rätsels, beziehungsweise die Erklärung zu dieser so eigentlich gar nicht möglichen Situation, liegt in mehreren Punkten begründet. Erstens: Obwohl die kennengelernten Löwenweibchen bereits stattliche 100 kg auf die Waage bringen, sind sie trotz ihrer Grösse noch nicht geschlechtsreif und gehören deshalb mit ihren etwa 18 Monaten immer noch zum kindlichen Alter, wo sie einfach nur spielen wollen. Entsprechend sehen sie mich Menschlein als eine ihrer kleinen Schwestern an, die einfach zu ihrem Rudel gehört. Jenes Jungtier, das sich so zutraulich zu mir gelegt hat und das die Einheimischen Kariba nennen, hat also bei mir quasi nur seine Streicheleinheiten abgeholt. Wäre Kariba nur 1 Jahr älter und damit schon eine ausgewachsene Lady, wäre ich für sie nur noch Lebendfutter gewesen! Zweitens fand diese Begegnung mit frei lebenden Löwen nicht ganz zufällig statt, sondern im Rahmen eines geführten sogenannten „Lion Walk“, in einer kleinen Gruppe mit etwa 10 Leuten und begleitet durch 3 erfahrene Guides. Und drittens bemerkten diese einheimischen Führer im Voraus nebenbei und zur Beruhigung aller Teilnehmenden, dass die paar „süssen Kätzchen“ der Umgebung erst gestern ihre letzte üppige Mahlzeit gehabt hätten..



Zur Bedeutung des Königs der Tiere


Durch diesen trotz allem nicht ganz harmlosen „Lion Walk“ habe ich nebst dem einmaligen Erlebnis auch wieder viel dazugelernt, und es hat mir das Bewusstsein geschärft, wie wichtig der Löwe für die heimische Tierwelt ist, denn seine Dezimierung durch den Menschen wirkt sich in vielerlei Hinsicht deutlich negativ aus, was sich letztlich sogar im gesamten empfindlichen Ökosystem Afrikas feststellen lässt. So spielen Löwen eine wichtige Rolle etwa in der Nahrungskette, indem sie quasi als Polizisten entscheidend mithelfen, das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten und beispielsweise die Anzahl dominierender Pflanzenfresser wie etwa Zebras und Büffel zu regulieren. Auch helfen sie mit, deren restliche Herde zu ordnen und zu stärken, denn Löwen greifen hauptsächlich nur schwächere und kranke Tiere an. Leider ist die afrikanische Löwenpopulation kontinuierlich zurückgegangen und unterliegt weiterhin zunehmenden Bedrohungen. „Gab es anfangs der 1950-er Jahre noch rund 400'000 Tiere“, erklärt uns Tafadzwa, einer der begleitenden Guides des Antilopen-Parks, wo wir uns befinden, „sind es heute in ganz Afrika nur noch gut 32’000 Exemplare.“ Löwen aber, so führt er weiter aus, würden weiterhin auch einen ganz wichtigen wirtschaftlichen Impuls bedeuten bezüglich Tourismus, denn Löwen bleiben auch in ihrer Symbolik als „Könige der Tiere“ nach wie vor einfach die grösste Attraktion eines afrikanischen Safari-Erlebnisses bestehen.

Letzteres können wir aufgrund unserer eigenen Erlebnisse nur bestätigen. Oft wirken die Parks auf uns wie fast leergeräumt, und in den vergangenen zwei Monaten, in denen wir nun bereits in Afrika unterwegs sind, haben wir noch keinen einzigen Löwen angetroffen, auch weder im Etosha- noch im Hwange-Nationalpark. Viele Besucher, die wir kennengelernt haben, mussten ohne Löwen gesehen zu haben wieder nach Hause fliegen. Löwen züchten und sie den Menschen näher bringen ist denn hier im Antilopen-Park erklärtermassen das prioritäre Ziel. Nach 4 erfolgreich durchlaufenen Entwicklungsstadien werden die Tiere im Alter von 8-10 Jahren gruppenweise an die verschiedenen afrikanischen Nationalparks verkauft. Dieser lange und aufwändige Prozess sei ein sehr wichtiger Beitrag zum Erhalt dieses stolzen Tieres, erklärt uns Gary Jones, der Manager des Antilopen-Parks. Wir jedenfalls können dazu nur sagen, dass wir es sehr bedauern würden, wenn es den majestätischen afrikanischen Löwen eines Tages nur noch in Bildern, Museen und in Geschichten gäbe.


Weitere Informationen sowie Spendemöglichkeiten findet man auf der Homepage www.antelopepark.co.zw  


Siphosenkosi 13 years
Siphosenkosi 13 years

Kochen für Strassenkinder

 

Mit dem Antilopen-Park hängt noch ein zweites Projekt zusammen, das aber nichts mit Tieren zu tun hat. Es geht dabei vielmehr um Kinder – um obdachlose Kinder des nahen Ortes Gweru. Zu Hunderten leben sie meist direkt neben der Strasse, etwas versteckt hinter wild wachsenden hohen Maispflanzen und Sträuchern, so dass sie von der Strasse aus kaum zu sehen sind. Wir möchten genauer hinschauen, quasi hinter diese Fassaden gucken, und beschliessen, diese Kinder zu besuchen. Hinter der natürlichen Umzäunung des Versteckes bietet sich uns aber unvermittelt ein Bild des Schreckens. Überall liegen alte, verschmutzte Kleider herum, leere Coca-Cola-Flaschen, viele verbrauchte Pappteller, Batterien aller Art, unzählige Plastikteile, einige Flip-Flops, allerlei Metallteile und sogar ein ausgedienter Motoren-Luftfilter, der nun vermutlich für irgendwelche Düfteschnüffeleien noch gelegentliche Verwendung finden dürfte. Mit Holzknüppeln und kleinen Baumstämmen haben sich diese heimatlosen Kinder ein Hüttchen gebaut und mit grossen Reissäcken oder sonstigem Plastik überdeckt, was ihnen dennnoch keineswegs ausreichenden Regenschutz bietet. Das unglaubliche Elend, das wir hier sehen, die trostlose Existenz dieser Kinder, die hier ihr trauriges Dasein fristen, beelendet und schockiert uns zutiefst, und ich muss mich zurückhalten, dass ich nicht grad in einen Weinkrampf ausbreche. 


Kurze Zeit später stehe ich in einer dunklen, schäbigen Küche und finde mich ungeplant als temporäre Volontärin wieder. Die Tränen kullern mir nur so über die Wangen – aber jetzt sind es jene vielen Zwiebeln, die ich am Rüsten bin und die mir die Augen höllisch brennen lassen. Irgendwann sehe ich vor lauter Augenwasser gar nichts mehr und laufe tränenüberströmt hinaus an die frische Luft. Das heutige Menu besteht aus getrocknetem Fisch, Sazda (Maismehl), Salat und etwas Obst. Kochen für so viele Kinder ist gar nicht so einfach, und wir müssen uns beeilen, denn bald schon trudeln die ersten Strassenkinder ein. Die meisten ankommenden Kinder schütteln uns zur Begrüssung mit ihren verschmutzten Händen herzlich die Hand und warten dann draussen auf dem Vorplatz hungrig und geduldig auf die warme Mahlzeit. Einige der Kinder stehen buchstäblich vor Dreck und tragen nicht einmal Schuhe. Ihre nackten Füsse gleichen ob der ausgetrockneten und rissigen Haut vielmehr denen eines alten Mannes. Doch das kümmert die Kinder wenig. Sie sind erstaunt über Kevin – dieses weisse kleine Kind, das da so fröhlich und unbeschwert zwischen den dunkelhäutigen Kindern herumspringt. Unser Sohn steht einmal mehr im Mittelpunkt; er wird angefasst, herumgetragen und sofort wie selbstverständlich ins gemeinsame Spiel aller integriert. Kevin freut sich offensichtlich über die unerwartete Aufmerksamkeit und albert ohne zu zögern mit umher. Besonderen Spass haben alle mit Kevins kleinem Baby-Fussball, und es dauert nicht lange, haben sich bis zur Essenszeit zwei mannschaftsähnliche Gruppen gebildet....


Das Ziel der Bemühungen besteht darin, den Kindern einmal täglich eine warme Mahlzeit geben zu können. Diesem Projekt des Midlands Children Hope Centre, welches bereits seit 1996 existiert, hat sich der Antilopen-Park im Jahre 2011 angeschlossen und arbeitet seither im angestrebten Sinne aktiv mit. Zur Zeit werden zudem dank regelmässiger Betreuung 30-40 Strassenkinder vom täglichen Existenzkampf entlastet, wodurch sie Zeit finden, ihrer Schulbildung nachzugehen – und wodurch nebenbei auch die bestehende Beschaffungskriminalität stark verringert werden konnte.


Lassen wir doch am besten im Originalton den 14-jährigen Edmore Muza selbst sprechen, wie er mit wenigen, einfachen Worten sein persönliches Einzelschicksal beschreibt und zusammenfasst:


I stayed in the street for three months and life was very very difficult. At times I would eat rotten bread and Sadza. Life was not easy because I would get food from garbage bins and eat. Other boys liked bullying us. Three months in the streets was hell for me. I ran away from home when my mother passed away. I don’t know my father. My aunt was very rough and uncaring and unloving. She would beat me and she stopped me from going to school but her children were going to school. I was like a slave in that home. My gradmother would protect me when the abuse was too much. When my grandmother died my aunt chased me away saying I was a burden to her  so she said I must go and look for my father’s relatives whom I had never seen before. I left and asked a lift to Gweru and I met Mr Question Ndou at the Drop in Centre and he gave me shelter. At Midlands Children Hope Centre I go to school and I am now in grade 6 and I eat good food. From Edmore Muza 14 years old.


Leider ist dieses Drop-In-Centre aus finanziellen Gründen vom Staat nicht offiziell anerkannt und darum ganz auf private Unterstützung angewiesen. Wir hoffen, auf diesem Wege aufmerksame Leser zu finden, die diese sinnvolle Arbeit unterstützen möchten.

 

Weitere Informationen dazu sind ebenfalls erhältlich unter der Internetadresse www.antelopepark.co.zw