Schweissgebadet wache ich nachts auf und erinnere mich daran, dass gestern Abend kurz vor der Ankunft am Cape Melville ein süss-säuerlicher Geruch von Kühlwasser in der Luft lag. Unbewusst habe ich dies zwar registriert aber nicht darauf reagiert. Kühlwasser-Geruch verheisst in der Regel nichts gutes und ich ahne schlimmeres. Trotz starkem Wind schlafe ich irgendwann wieder ein. Am nächsten Morgen kochen wir wie gewohnt Kaffee, essen unser Müesli und packen Gandalf für die Weiterreise. Vor dem Zähneputzen starte ich Gandalf schon mal um den Motor vor der bevorstehenden tiefen Sandfahrt aufzuwärmen. Ein Geistesblitz durchfährt plötzlich meinen Körper und ich erinnere mich an den Traum von letzter Nacht. Schnell öffne ich die Motorenhaube mit Blick auf den Wasserkühler gerichtet. Ich erkenne nichts ungewöhnliches und so entferne ich den Kühlerdeckel um den Wasserstand zu prüfen. Oh Schreck, kein Wasser!!!
Zur gleichen Zeit nähert sich ein Fahrzeug aus Norden und zwei Personen steigen aus. „Grüezi – Zürcher“. Jeff und Julia die schon seit 20 Jahren regelmässig ans Cape Melville kommen begrüssen uns und staunen nicht schlecht über unsere Reiseroute, die wir auf dem World-Map an unserer Heckscheibe angeschlagen haben.
Sofort informiere ich Nicky, Jeff und Julia über die prekäre Sachlage. Sie erkennen unsere missliche Lage und offerieren uns, das Fahrzeug in ihr nahegelegenes Camp zu verschieben, um da den Fehler zu suchen und zu beheben.
Das Leck muss sich am Wasserkühler selber befinden, da wir an den Schläuchen keine undichte Stelle ausmachen können. Hmmpff - ok dann bauen wir also den Kühler aus. Gesagt ist einfacher als getan! Der Wasserkühler hat durch den späteren Einbau der Standheizung und Oelkühler nur wenig Platz im Motorenraum um daran zu arbeiten. 30 Minuten später ist der Kühler draussen und wir finden ein halbkreisförmiges grosses Leck an der Innenseite des Kühlers, da wo der Ventilator sitzt. Wir können nur vermuten, dass beim Rückwärtsfahren - einen Ast den Ventilator in die empfindlichen Kühlerrippen gedrückt haben muss und so verschnitten hat. Das Leck ist zu gross um es notdürftig zu reparieren und wir sind uns einig, dass Gandalf einen neuen Kühler braucht!!
Jeff offeriert uns in das 500 Kilometer entfernte Cairns zu fahren, einen neuen Kühler zu organisieren und mich dann wieder zurück ans Cape Melville zu chauffieren. Das sind 250 Kilometer Offroad und weitere 250 Kilometer auf Asphalt zu bewerkstelligen.
Die Frau von Jeff bleibt mit Nicole und Kevin alleine im Crocodile Camp, während wir Männer mal schnell einen neuen Kühler organisieren. Das Camp macht nicht umsonst seinem Namen alle Ehre, denn es werden hier regelmässig bis zu 6 Meter grosse Salzwasser-Exemplare gesichtet. Die Park Conditions für Cape Melville wurden uns wie folgt beschrieben „Isoliert, abgelegen, kein Trinkwasser, benötigt 4x4, Untersetzung und hohe Fahrzeug-Bodenfreiheit“. Die Frauen sind in dieser abgelegenen Gegend auf sich alleine gestellt und es ist mir schon etwas mulmig, meine kleine Familie alleine im Outback zurückzulassen. Nicky versichert mir aber, dass es kein Problem sei für sie, mit Julia und klein Kevin alleine zurück zu bleiben. Für alle Fälle hat Julia ein Sattelitentelefon.
Dreissig Stunden später und 1000 Kilometer mehr auf Jeff’s Land Cruiser erreichen wir mit einem neuen Kühler im Gepäck das Camp, wo die Frauen bereits das Nachtessen zubereitet haben und sehnlichst auf uns warten.
Der Kühlereinbau am nächsten Tag, wer hätte das gedacht, gestaltet sich nicht einfach. Denn der neue Ventilator ist zu gross und der alte Luftschacht passt nicht auf den neuen Kühler!!! Mit Säge, Feile, Akkubohrer, Sikkaflex Dichtmasse und improvisatorischem Geschick passen wir die Teile an, um sie schlussendlich formschlüssig wieder zu verbauen. Kurz vor Fertigstellung am Abend trifft der Ranger ein und fragt, ob wir ein Camping Permit haben!?
Wir erfahren, dass für Queensland seit 2012 alle Camping Permits für die Nationalparks online gebucht und bezahlt werden müssen. Im Western Australia und Northern Territory waren wir uns gewohnt, dass die Park Entry und Camping Fees per Self Registration am Parkeingang beglichen werden können. Der Ranger macht uns auch aufmerksam, dass der Park heute wegen Pest Control Service für 4 Tage geschlossen wird. Das heisst, dass hier demnächst Helikopter aufkreuzen werden, die mit halbautomatischen Maschinengewehren auf Wildschweine schiessen. Zusätzlich werden aus dem Helikopter präparierte, vergiftete Fleischstücke abgeworfen, welche die Füchse dezimieren sollen. Dass dabei auch Dingos, Vögel und andere Tiere drauf gehen ist Nebensache. Okay? Jedoch können wir ohne Kühler schlecht wegfahren!! Der Ranger drückt ein Auge zu und hat sogar Mitleid mit uns. Somit können wir im geschlossenen National Park noch weiter campieren bis wir den Kühler fertig eingebaut haben. Er erlässt uns auch die Busse für das nicht bezahlen der Camping Permit und die Helikopter Piloten werden extra wegen uns angewiesen den Korridor bis zum Park Exit nicht zu beschiessen bis wir draussen sind. Glück im Unglück oder wie sagt man so schön? Weitere Stunden später ist alles fertig und Gandalf läuft wieder. Jupiiii!!! Vielen herzlichen Dank an Jeff und Julia für eure grossartige Hilfe.
Im Musgrave Roadhouse wo der OTT (Old Telegraph Track) sozusagen beginnt, treffen wir uns pünktlich wie verabredet am 30. Juli mit Christoph und Julia. Unsere Zürcher Freunde haben sich die letzten 10 Tage in Bali erholt und sind nun mit neuem Elan „back on the road“, um mit uns zusammen auf dem OTT nach Cape York an den nördlichsten Punkt Australiens zu fahren.
Auf meiner Bucket-List ist der der OTT als „must do before you die„ eingetragen. Als richtiger 4x4 Enthusiast muss man den Old Telegraph Track unbedingt einmal im Leben gefahren haben.
Aber ist es überhaupt möglich den Track mit unserem schweren Overland Vehikel und „baby on board“ zu meistern? - das fragen wir uns immer wieder. Wir denken, dass es klappen dürfte und wenn nicht, können wir jederzeit umkehren. In Cairns haben wir vorsichtshalber Gewicht abgeladen und unsere Dachbox komplett geleert. Es macht Sinn, den Fahrzeug-Schwerpunkt so tief wie möglich zu halten, da die Schräglagen zum Teil extrem sind. Der OTT kann auf verschiedene Arten gefahren werden. Die Meisten fahren ihn von Süd nach Nord, da der Gunshot Creek der wohl Bekannteste von allen ohne Seilwinde nur von Süden her gefahren werden kann. Der nördliche Teil des OTT’s hat zudem mehrere steile Abfahrten, die nur von Süd nach Nord bewältigt werden können. Die schwierigen Passagen können aber auch fast immer über einen Bypass umfahren werden. Bei jedem River Crossing gibt’s auf beiden Seiten schöne Camp Spots, wo man immer wieder auf Gleichgesinnte trifft, die einem gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auch hier im Cape York muss theoretisch jede Übernachtung online gebucht und bezahlt werden. Wie sich aber herausstellt macht dies niemand, da es nicht möglich ist, den Trip ans Cape York genau zu planen.
Gleich am Anfang des Tracks treffen wir auf zwei weitere Reisegruppen aus Perth, die wie wir vorhaben den Track zu fahren. Die ersten zwei River Crossings sind gemeistert und schnell ist man sich nähergekommen und hat sich angefreundet. Weiter geht’s also mit vier Fahrzeugen auf dem OTT bis zum Gunshot Creek wo wir kapitulieren müssen. Die Abfahrt in das Flussbett gleicht einem Sturzflug in ein tiefes Schlammloch. Auch die anderen Teilnehmer unserer Gruppe nehmen lieber den 17 Kilometer langen Bypass um den Gunshot Creek zu umgehen.
Fünf Tage und weitere 15 herausfordernde River-Creek Crossings später kommen wir an den berühmt berüchtigten Nolan’s Brook Creek. Der wohl meist gefürchtetste Creek Crossing auf dem OTT, wo dieses Jahr bereits 45 Fahrzeuge im tiefen, sandigen Flussbett versenkt wurden. Man sagt uns, dass nur 3 der 45 Fahrzeuge ihre Motoren nach der Rettungsaktion ohne weitere Wasserschäden wieder starten konnten. Das grösste Problem ist die Fahrzeug-Elektronik, die Dichtheit des Schnorchels und Luftfilter-Kasten.
Unser Gandalf besitzt keine Fahrzeug-Elektronik und der Schnorchel sollte soweit dicht sein, weil ich diesen selber abgedichtet habe. Für uns also kein Problem auch wenn wir stecken bleiben sollten, kann uns jemand rausziehen ohne dass unser Fahrzeug zu Schaden kommt. Reine Theorie - aber das Risiko scheint mir nicht besonders gross zu sein. Zwei Fahrzeuge unserer Gruppe entscheiden sich für den Bypass der einen Umweg von mindestens 3 Stunden für sie bedeutet. Wir entscheiden uns für die Durchfahrt und bereiten uns jetzt vor. Den Reifendruck reduzieren wir auf 1.2 bar. Vor den Kühler montieren wir eine Schürze, der das schnelle Eindringen des Wassers in den Motorenraum verhindern soll. Ein Abschleppseil wird vorne eingehängt und ein Recovery Fahrzeug wird auf der gegenüberliegenden Flussseite bereitgestellt. An den tiefsten Stellen (ca. 1.4m) im Fluss stehen menschliche Bojen, die uns den Weg weisen sollen. Alle zu vorhandenen Hilfen wie 4x4, Untersetzung und Differentialsperren werde ich einsetzten um die erfolgreiche Durchquerung von Nolan’s Brook nicht zu gefährden. Unsere Kollegen von Perth mit ihrem 200er V8 Land Cruiser und Anhänger sind bereits erfolgreich durchgefahren. Jetzt sind wir an der Reihe. Nicky steht mit klopfendem Herzen am trockenen Ufer ausgerüstet mit Filmkamera und Fotoapparat bereit, um das Abenteuer festzuhalten. Kevin sitzt in seinem Buggy und schaut dem Spektakel aufmerksam zu. Einmal Luft holen, kurz nochmals alle Knöpfe und Hebel prüfen und rein geht’s in’s feuchte Vergnügen. Der Gandalf fährt wie ein grosses Schiff durchs Wasser und stampft sich wie ein nasser Büffel schnaubend und dampfend am anderen Flussufer empor. Bravo!! Es wird geklatscht und gratuliert. Die ersten Bierchen hört man zischen…
Zwei Nächte campieren wir hier am Flussufer und schauen dem bunten Treiben der Flussdurchquerungen zu. Die Ausbeute von zwei Tagen sind 6 erfolgreiche und 3 nichterfolgreiche Überquerungen, wovon 1 Fahrzeug (Mitsubishi Pajero) durch das eintretende Wasser einen Motorenschaden erlitten hat. Was lernt man daraus – ein Auto ist kein Boot.
Weiter führt uns der Track bis zum Jardin River der seit vielen Jahren nicht mehr selber mit dem Fahrzeug durchquert werden darf. Zu viele Fahrzeuge wurden hier in diesem Krokodil verseuchten Fluss versenkt, so dass der Staat eingreifen musste und die Stelle mit grossen Baumstämmen blockiert hat. Es gibt jetzt dafür eine Fähre die den 20 Meter breiten Fluss für schlappe AUD 129.- (return) überquert. Einen Preisüberwacher gibt’s hier nicht wirklich müssen wir feststellen. Wer wie wir an den nördlichsten Punkt von Australien fahren möchte, muss hier mit der Fähre über den Fluss…basta.
In Bamagan der nördlichsten Ort Australien gibt es Tankstellen, Supermarkets, Campingplätze, Bars und Restaurants. Wir geniessen hier 3 wundervolle Tage bevor wir die letzten Kilometer des Tracks in Angriff nehmen um den nördlichsten Punkt des Australischen Kontinents zu besuchen.
Das Cape York ist eines der letzten grossen Abenteuer Australiens. Es ist nicht klar wie lange das so bestehen bleibt. Wir sind sehr glücklich, es in seiner so ursprünglichen und wilden Form erlebt zu haben.